top of page

Top-Management von Agilität überzeugen

Aktualisiert: 26. März 2022

Vergangene Woche habe ich an einem #KanbanDay teilgenommen. Umfangreiches Wissen, spannende Impulse und interessante Perspektiven wurden geteilt. Was mich noch lange beschäftigt hat, war jedoch die Aussage eines Teilnehmers ganz zum Ende des Tages: "Ich denke mir die ganze Zeit, nicht ich (als Teamleiter) sollte hier sein, sondern mein Chef. Und ich frage mich, wie ich ihn überzeugen kann."


Die Referenten konnten auf diese entmutigte Aussage bzw. Frage keine pauschale Antwort geben. Für mich selbstverständlich, denn ohne weitere Informationen besteht das Risiko, dass ein gut gemeinter Tipp zu einer vertanen Chance führt. Natürlich gibt es Erfahrungswerte, die geteilt; Ideen, die vielleicht ausprobiert; oder Dinge, die zumindest als Orientierung dienen können. Wie welche/r ChefIn darauf reagiert, ob es verstanden und auch verinnerlicht wird und ob diese "Überzeugungsstrategie" auch zu einem selbst passt, bleibt dabei ungeklärt. Wie man im agilen immer so schön sagt: it depends!


Im folgenden wird die Frage geklärt, weshalb das #ManagementBuyIn wichtig ist und welche Impulse und Erfahrungswerte - zumindest für eine erste Orientierung - geteilt werden können.





 

Management Buy-In


Alleine aus den vielfältigen Definition von #Agilität lässt sich schnell erkennen, dass es nicht um einzelne Teams oder Methoden, sondern um die Organisation als Ganzes geht. So deuten die Ursprünge bereits auf die Führung- und Wissenskultur in Organisationen hin (Sutherland, J.). Vielfach werden Mindset, Haltung und Werte für Definitionen herangezogen (Mathis, C. 2016, S. 1; Röpstorff, S./Wiechmann, R. 2012; Scherber, S./ Michael, L. 2015, S. 2) oder Agilität als Konglomerat von Initiativen beschrieben, die Organisationen entwickeln und nutzen, um mit der steigenden Komplexität umzugehen (Boos, F./ Buzanich-Pöltl, B. 2020).


In der Praxis hingegen beschränkt sich die Transformation oft auf agile Methoden und versucht einzelne Teilaspekte zu gestalten. Die Wirksamkeit ist elementar mit den Prinzipien, Werten und dem dahinterstehenden Mindset verwoben. Beginnt man mit einem Pilot - einem einzeln Team - ist die spätere Integration und Ausweitung zu einem ganzheitlichen Ansatz unabdingbar - zumindest, um die gesamte Wirkkraft und Erfolge zu gewährleisten.

Ansonsten verlagert sich die Aufmerksamkeit starkt auf Konsequenzen, wie z.B. das Inkremente nicht zusammen passen (Conway's Law), es geht nicht wirklich voran, die strategische Ausrichtung scheint unklar, Ressourcen fehlen oder erhalten nicht die notwendigen Freiräume und Konflikte sowie Frustration machen sich bereit, wodurch Abhängigkeiten unkontrollierbar werden und Agilität an Grenzen stößt.


Vorbildfunktion

Es wäre naiv zu glauben, dass bei einer Transformation alles geradlinig verlaufen wird. Zumeist wird es etwas holprig, durch Umwege wird zwar die Ortskenntnis erhöht, es benötigt jedoch immer mal wieder kurze Pause, um Orientierung zu finden und Kräfte zu sammeln.

Das (Top-)Management spielt hierbei eine besondere Rolle. Sie nehmen eine Vorbildrolle ein. Veränderungen sind nicht für alle Beteiligten leicht, da sie meistens bedingen langjährige Verhaltensweisen zu ändern und liebgewonnen Gewohnheiten aufzugeben. Es gilt eine kritische Masse zu überzeugen und auch Durststrecken durchzuhalten. Wenn das Management nicht mitzieht fragen sich Mitarbeitende schnell: äh, wieso soll ich denn dann?


Servant Leader

Gerade in sehr stabilen Umgebungen, indessen wenig Fluktuation, gefestigte Teams und wiederkehrende Aufgaben den Alltag bestimmen, ist mit erhöhtem Widerstand zu rechnen. Es frustriert einige, wenn die ersten Versuche noch ins leere laufen und Konflikte zu Verhaltensweisen und Gewohnheiten entstehen (Humble, J. et al. (2017), S. 280 fff.). Wer kennt nicht die Anfänge beim Lernen einer neuen Sportart, wie oft man auf die Nase fällt, wie schwer es sein kann, all das neu gelernte zu koordinieren. Zuversicht stiften, Ziele und Visionen aufzeigen sowie den Raum für Fehler zu geben zählen zu wichtigen Aufgaben in denen das Management mit gutem Beispiel vorangehen sollte. Nicht nur als Vorbild, sondern vielmehr noch als #ServantLeader, indem Mitarbeitenden der Weg gewiesen wird und ihren Bedürfnissen Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegengebracht wird.


Ressourcen

Neben der Entstehung von Rollenbildern oder der Genehmigung eines erweiterten Personalbedarfen, bedarf es meist Trainings, externe Berater und ailge Coaches sowie neue Arbeitsmittel (z.B. Kollaborationstools). Zudem ist das Bewusstsein wichtig, dass auch Themen anders priorisiert werden können und zu Anfang ggf. auch die Produktivität erst einmal nachlassen kann, bis Veränderungen angenommen und gelebt werden.


Rahmen

Vor allem wird das Commitment des Top-Management benötigt, damit Entscheidungsfreiräume entstehen können und die Rahmenbedingungen für agile, lernende Organisationen geschaffen werden. Hierbei kann es sich um neue Rollen handeln, tiefgreifende Kulturveränderungen oder eine Neuausrichtung bestehender Strukturen mit einhergehender Umverteilung der Macht. Entscheidungen sollen auf einmal da getroffen werden, wo die Informationen liegen und das auch noch zum spät möglichsten Zeitpunkt. Ein starker Kontrast, wo das Management es gewohnt war Jahrespläne vorgelegt zu bekommen und eine Option auszuwählen. Ebenso für die Mitarbeitenden, die auf einmal die Entscheidungen und damit auch die Verantwortung übernehmen sollen, wobei jahrelang suggeriert wurde, dass sie anscheinend nicht die dafür benötigten Kompetenzen hätten.


Verunsicherung ist dabei keine Ausnahme. So können auf allen Ebenen Zweifel und Ängste entstehen. Daher ist es wichtig, dass der Prozess breit getragen wird. Die Einführung von Agilität bedingt elementare Veränderungen auf allen Ebenen der Organisation (Humble, J. et al. (2017), S. 280 fff.).



 

How To


Kontakt herstellen

Als erstes stellt sich die Frage nach generellem Zugang zum (Top-)Management. In manchen Unternehmen reicht ein erster Kontakt mit Erläuterung des Ziels, um die Aufmerksamkeit zu erhalten. Wenn jedoch bereits hier die ersten Hürden in Sicht sind, versuche ich in der Regel mit Klienten zu prüfen, welche weiteren Ressourcen zur Verfügung stehen. Hier kann zum Beispiel:

  • ein bestehendes #Netzwerk hilfreich sein;

  • zu einer Firmenkonferenz ein #externerSpeaker engagiert werden;

  • auch die Besichtigung/ Kontakte zu bestehenden Firmen (z.B. im vertikalen Markt, zu komplementären Gütern/ Dienstleistungen oder einfach zu einem Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen) kann neue Perspektiven öffnen;

  • externe BeraterInnen, TrainerInnen hinzugezogen oder der Besuch von Konferenzen genutzt werden. Oft werden Impulse von Außen auch mit einer intensiveren Wirkung aufgenommen

  • ...


Impulse setzen

Es gilt somit erste Impulse zu setzen, Aufmerksamkeit zu erreichen und die Weichen für vertiefende Diskussionen zu stellen. Hierdurch hat das Management die Chance die wichtigsten Punkte zu reflektieren und sich auf weitere Gespräche vorzubereiten. Vielleicht kann als Inspiration der Marketing Funnel dienen (siehe z.B. AIDA-Modell). Ansonsten bietet sich z.B. ein externes Coaching an, um Ideen zu generieren, Maßnahmen vorzubereiten und Klarheit über die Ziele und Möglichkeiten zu schaffen.


Um eine erste Aufmerksamkeit zu erreichen, ist eine zielgruppengerechte Ansprache zu focieren. Welche Themen beschäftigen das Management? Welche Probleme sehen sie? Was bereitet ihnen Sorge? Und welche Zahlen, Daten und Fakten liegen zur Begründung vor? Wie kann eine emotionale Ansprache erfolgen? Was berührt die Zielperson?


Einsichten generieren

Gründe für eine agile Transformation können vielfältig sein - Bewerbermarkt, steigender Wettbewerbsdruck, Digitalisierung, etc. Es kann Dringlichkeit aufgezeigt und Zuversicht ausgestrahlt werden, dass Agilität ein Weg sein kann, um die Probleme von morgen zu lösen. Oft sind für die Treiber einer agilen Transformation die Gründe glasklar - zumindest auf den ersten Blick. Um sich nicht zu verzetteln und auch die unternehmerische Sichtweise einzunehmen, bietet es sich an offen über die Gründe, unterschiedliche Perspektiven und Gedanken zu reflektieren. Vielleicht hat das Management aktuell ganz andere Prioritäten oder Zweifel, weil sie bereits von Organisationen gehört, in denen eine agile Transformation negative Konsequenzen mit sich getragen hat und diese aktuell wieder zurückrudern.


Gemeinsames Verständnis schaffen

Um nicht nur in der Anfangsphase energetisch zu starten, sondern auch das notwendige Durchhaltevermögen aufzubringen kann es sehr hilfreich sein, sich bewusst zu machen, was die wirklichen Hintergründe sind und vor allem ein einheitliches Verständnis in der Organisation zu etablieren. Hierzu bieten sich Interviews, Fokusgruppen und Reflexionsrunden an.

Ein Wandel muss nicht erst aus einer Notsituation heraus gestartet. Ist eine Organisation wirklich bedroht, kann diese Situation zwar viel Energie freisetzen, in der Regel geht hiermit jedoch der Aktionismus mit ein, weil die benötigte Zeit, zum gemeinsamen Lernen oft unter dem Druck leidet. Viel besser ist aus einer stabilen Ausgangslage die Organisation in ihrem Tempo zu entwickeln.


Reifegrad bestimmen

Zum gemeinsamen Verständnis gehört auch die Analyse des #Reifegrad der Organisation sowie treibender Player. Notwendig oder gewollt ist nicht immer gleich möglich. Wir verfallen oft der Illusion, dass es doch schon irgendwie machbar sein muss. Und ich bin der Überzeugung, dass es das ist - nur wo wir anfangen, wie lange es dauert und ob man auch bereit ist diesen Weg auf sich zu nehmen steht noch auf einen anderen Blatt. Überforderung bringt uns hier nicht weiter. Ebenso wie Perfektionismus und der Wunsch 100 % vorbereitet zu sein dazu führt, dass wir erst gar nicht starten.

Die Bestimmung des Reifegrades ist ein Annäherungsprozess. Oft werden solche Fragen vermieden, weil Zweifel und Kränkungen damit verbunden werden (Schmid, B. 2014). Einschätzungen und Reflexionen helfen jedoch, den richtigen Fokus zu setzen und Risiken zu reduzieren.


Beispielhafte Fragen können sein:

  • Welche Erwartungen existieren? Inwieweit besteht ein einheitliches Verständnis?

  • Gibt es bereits Erfahrungswerte zu ähnlichen Vorhaben nach Art und Ausmaß?

  • Welche Zweifel bestehen ggf. noch?

  • Wie will man mit Rückschritten oder Konflikten umgehen?

  • Was besteht schon und was muss neu gelernt werden?

  • ...



Eine Agile Transformation ist kein Sprint! Die gute Nachricht ist, Organisationen entwickeln sich ständig weiter und mit einer agilen Transformation kann diese Organisations- und Kulturentwicklung geleitet werden. Um die oft versprochenen Erfolge und volle Wirksamkeit zu entfalten bedarf es jedoch weitaus mehr als die Einführung und Einhaltung von Frameworks.





Literatur

Boos, Frank/ Buzanich-Pöltl, Barbara (2020): Moving Organization. Wie Sie sich durch agile Transformation krisenfest aufstellen. Schäffer Poeschel. Oktober 2020.

Humble, Jez/ Molesky, Joanne/ O'Reily, Barry (2017): Lean Enterprise. Mit agilen Methoden zum innovativen Unternehmen. O'Reilly®.

Mathis, Christoph. 2016. SAFe. Das Scaled Agile Framework. Heidelberg: dpunkt.

Röpstorff, Sven, und Robert Wiechmann. 2012. Scrum in der Praxis. Heidelberg: dpunkt.

Scherber, Stefan, und Lang Michael, Hrsg. 2015. Agile Führung. Vom agilen Projekt zum agilen Unternehmen. Düsseldorf: Symposion.

Schmid, Bernd (2014): Systemische Organisationsentwicklung. Organisationskultur und Change gemeinsam gestalten. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart. 2014.

Sutherland, J. https://www.scruminc.com/takeuchi-and-nonaka-roots-of-scrum, zuletzt aufgerufen: 25.02.2022.

Conway, Melvin E. (1968): How Do Committees Invent? In: F. D. Thompson Publications, Inc. (Hrsg.): Datamation. Band14, Nr.5, April 1968, S.28–31, zuletzt aufgerufen: 25.02.2022.

 
 
 

Comments


bottom of page