Gibt es den Weihnachtsmann wirklich? und weshalb wir ihn in unsere Meetings einladen sollten
- selinahentschel
- 23. Dez. 2021
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Dez. 2022
Die Tage werden kürzen, die Temperaturen frostiger. Überall riecht es nach Zimt und Lebkuchen. Unten knistert der Kamin. Ich schaue aus dem Fenster, auf den leicht verschneiten Garten. Da funkelt mich etwas vom Fenstervorsprung an. Ein goldschimmerndes Haar, es muss ein Engel gewesen sein – gesandt vom Weihnachtsmann, um meinen Wunschzettel abzuholen…

Wie schön und magisch war doch die Zeit, als ich vielleicht fünf Jahre alt war. Überall gab es auch noch so kleine Hinweise, dass bald Weihnachten ist. Kinder voller Vorfreude, Aufregung und Fantasie. So sehr kann ich noch das Kribbeln im Bauch spüren, als ich morgens aufgewacht bin und es dann endlich der 24. Dezember war.
Kinder und alle die noch gespannt auf den Weihnachtsmann warten sollten ab hier nicht mehr weiterlesen, um die Magie noch ein wenig länger zu wahren ;)
Ein alter Mann mit dickem Bauch und langen weißen Bart, in einer roten Robe mit Mütze und weißen Flausch, fliegt mit seinen Rentieren von Haus zu Haus und verteilt überall auf der Welt Geschenke… Wie schön war doch die Zeit als Realität und Fiktion in einander überflossen.
Irgendwann hat man das strategische Denken entwickelt, man hast sich die Frage der Möglichkeit gestellt oder es schockiert auf dem Schulhof erfahren: Den Weihnachtsmann gibt es gar nicht!
Haben wir noch den Mut zu Fragen?
zu glauben?
Wir haben damals gelernt, Dinge zu hinterfragen. Verstehen zu wollen. Was ist davon heute noch übrig geblieben?
Hinterfragen wir noch die Aussagen von Autoritätspersonen? Sammeln wir genug Informationen, um uns eine eigene Meinung zu bilden, um Entscheidungen zu treffen? Versetzten wir uns in andere Perspektiven? Denken wir über unsere konventionellen Grenzen hinaus? Fantasieren wir noch, um zu neuen Lösungen zu gelangen? Haben wir noch den Mut?
"Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind." Albert Einstein
Organisationen stehen großen Herausforderungen und Veränderungen gegenüber. Die Notwendigkeit eines nachhaltigen Wandels der bestehenden Annahmen und Überzeugungen ist in vielen Branchen zur Tagesordnung geworden und wird spürbare Auswirkungen auf unsere Arbeitsformen, Denk- und Handlungsmuster nehmen. Zu den Erfolgsstrategien, in diesem Paradigmenwechsel, zählt die Fähigkeit, flexibel und proaktiv dynamische Rahmenbedingungen zu antizipieren. Viele Unternehmen beschäftigen sich bereits in diesem Sinne mit Agilität.
Diese Entwicklung kann nicht von einfachen Veränderungen wie Präsentationen oder Umbenennung von Meetings vollzogen werden. Wir schaffen im besten Fall zwar das Verständnis und setzen erste Weichen, um Muster zu erkennen oder vielleicht lösen sich diese sogar (mit ein bisschen Glück) bei einigen wenigen. Bis zu dem Punkt, wo viele Experten zwar mit Heuristiken glänzen, jedoch selbst unsicher und ratlos sind, wenn Interventionen, Tools und Frameworks immer noch nicht wie versprochen greifen.
Was liegt unter dem Eisberg verborgen
Im beruflichen Alltag herrscht der Verstand und die Logik. Auch wenn mittlerweile Kicker, Europalletten und der ein oder andere Entspannungsraum Einzug in die Standardeinrichtung vieler Bürogebäude gefunden hat, sind für viele Spiele, Bedürfnisse und Emotionen noch sehr suspekt bei der Arbeit angesehen.
Unser Verstand sucht nach Vertrautem. Wir bauen nach bestimmten, wiederkehrenden Mustern und Überzeugungen unsere Wirklichkeit auf, indem wir nur bestimmte Daten und Erfahrungen aus unseren Beobachtungen auswählen und ihnen eine Bedeutung beimessen. Aus der wir letztendlich unsere Annahmen, Entscheidungen und Handlungen heraus ableiten (Vgl. Senge, P. M. et al., S. 280).
Hinter der Transformation stehen weit größere Aspekte, die ein Neudenken vorhandener Lösungen, der Kommunikation und Arbeitsweisen voraussetzen. Oft wird in diesem Kontext von einem agilen Mindset gesprochen. Beziehen wir dieses einmal auf die Denk- und Handlungslogik, könnte folgendes abgeleitet werden: Ein Teil der agilen Transformation ist die Veränderung unserer Filter, unsere Wahrnehmung, über welche wir Informationen aufnehmen, wie wir diese interpretieren und daraus unsere Annahmen und Handlungen ableiten. Diese Entwicklung ist auf tieferen Organisationsstrukturen anzusetzen – den "stillschweigenden vorausgesetzten Grundprämissen" nach Edgar Schein (Vgl. Senge, P. M. et al., S. 22).
gute Neujahrsvorsätze
Eine kleine Änderung im Leben vorzunehmen ist leicht gesagt, doch schwer getan. Wer kennt es nicht – die eine Kaffee Tasse weniger, die eine Sporteinheit mehr oder generell auf gesündere Ernährung zu achten wird ganz schnell zur Mammutaufgabe.
Wenn wir lang gelebte Gewohnheiten verabschieden möchten, um neue Wege zu gehen kommen wir mit Interventionen, die nur den Verstand ansprechen nicht weit. Oder weshalb haben wir unsere gewünschten Neujahrsvorsätze immer noch nicht umgesetzt?
Hierin liegt die Unterscheidung zwischen intellektuellem Verstehen und praktischem Begreifen begründet. Wir wissen zwar, das eine Kaffeetasse weniger, etwas mehr Sport oder eine gesündere Ernährung gut für uns ist, doch die Umsetzung ist eine ganz eigene Herausforderung. Somit können wir zwar etwas verstehen, doch das bedeutet noch lange nicht, dass wir es in unsere Denk- und Handlungslogik integrieren und nachhaltig verändern.
Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns verändern, neue Werte annehmen, neue Wege gehen ist sehr gering, wenn Altes einfach nur anders eingepackt und benannt wird. Für nachhaltige Transformation brauchen wir Entwicklung!
Entwicklung ist nur über Interventionen, die am limbischem Systems ansetzen möglich. Über diesen unbewussten, emotionalen Mechanismus im Gehirn werden Einflüsse aufgenommen, verarbeitet und entschieden, was in unser Bewusstsein gelangt (Vgl. Roth, G.). Das heißt die Arbeit mit mentalen Bildern, Emotionen, eigenen Wahrnehmungen etc. wird forciert.
Neuropsychologische Analysen haben, über die Messung von Hirnaktivitäten, in jüngster Zeit bewiesen, dass alles auch mit Emotionen verknüpft ist. Im Alltag finden wir natürlich genug Argumente, um die emotionalen Entscheidungen rational zu belegen... und haben wir überhaupt den Mut zu fühlen?
Veränderungen benötigen Kognition und Emotionen. Durch die Verbindung von Denken und Fühlen wird Entwicklung möglich, in dem neue, neuronale Verbindungen im Gehirn entstehen.
Viele agilen Frameworks und erweiterte Interventionen enthalten bereits Stilelemente, die an einer nachhaltigen Entwicklung anknüpfen. Durch Experimente werden Erfahrungen geschaffen und die berühmten "Low Hanging Fruits" verknüpfen diese mit positiven Emotionen. Fest etablierte Reflexionszyklen bieten die Möglichkeit über Konflikte und Fehler zu sprechen, um unangenehmes zu verarbeiten und spielerische Elemente, die unsere Emotionen aktivieren und somit in tiefere Bewusstseinsstrukturen neue Wege entstehen lassen.
Geschenke anbieten
Entwicklung kann als evolutionärer Prozess verstanden werden. Ohne eine finale Ziellinie, es gibt kein richtig oder falsch, kein besser oder schlechter. Ein wichtiger Merksatz: Wir verändern keine Menschen, keine Mitarbeitenden! Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Als Organisationberater, als Scrum Master, als Agile Coach, als systemischer Coach, als Führungskraft, als Mitarbeitende können wir Wege eröffnen, doch entscheiden und gehen muss jede Person sie für sich.
Nicht destotrotz spielt das Umfeld eine entscheidende Rolle. Insbesondere, ob Veränderungen gefördert oder gehemmt werden.
Wir können den Rahmen gestalten, doch der Prozess erfolgt innerlich – in jedem Einzelnen, in eigenem Tempo – und kann sich somit auch jeglichen Versuchen entziehen.
Hier wirken Rahmenbedingungen und Triggerpunkte ein, die wir verändern können und somit den Prozess mitgestalten können. Die Frage könnte sein, wie schaffen wir es, Wahrnehmungen zu reflektieren, eine leichte Irritation zu erzeugen und über angenehme Erfahrungen Lerneffekte zu verankern.

Entwicklung ist ein Prozess. Im Durchschnitt benötigt es zwei bis drei Monate eine Gewohnheit in den Alltag zu integrieren. Vor allem in Teams und Unternehmen geht diese Veränderung noch langsamer voran – sozialpsychologische, gruppendynamische Aspekte sowie Verzerrungen fließen mit ein und stellen teils zusätzliche Herausforderungen dar.
Wo im privaten vielleicht noch durch entfernen der ungesunden Lebensmittel die Disziplin gestärkt werden kann, begegnen uns im beruflichen Kontext alte Strukturen, Daten und Erfahrungen, die uns in unseren bisherigen Mustern immer wieder bestärken.
Veränderungen müssen systemisch und systematisch gedacht werden. Es gilt etwas zu planen, was nicht planbar ist. Das Verständnis von Organisationen, die einer Maschine gleicht und somit kausale Erklärungen – Ursache-Wirkungungs-Beziehungen – zulässt, weicht dem eines lebenden Organismus. Arbeiten wir mit Menschen zusammen, sind Wirkungen nicht mehr abschätzbar oder linear zurückführbar.
Meine Empfehlung: Den Wandel durch systemische Organisationsberatung zu begleiten (Vgl. Niklas Luhmann, Edgar H. Schein, Peter M. Senge, Roswita Königswieser u.a.). In dem wir Raum für gemeinsame Reflexion geben, Beobachtungen spiegeln, positive Erlebnisse schaffen, verschiedene Perspektiven einnehmen, neue Erfahrungen sammeln und immer wieder das System liebevoll irritieren, damit neue Muster entstehen können.
Verändert sich die Selbstwahrnehmung, die inneren Landkarten haben wir die Chance auf einen Entwicklungssprung. Die entstehende kognitive Dissonanz kann mit Ängsten, Unsicherheiten und sogar Unzufriedenheit verbunden sein. Wir stellen wieder Dinge in Frage und müssen neue Orientierungspunkte finden.
Diese Emotionen und Auswirkungen, müssen wir Beachtung schenken – wir müssen die Verantwortung übernehmen können. Nicht weiter die Augen verschließen, mit Argumentation wie "dann sollen uns die Mitarbeitenden verlassen und wir suchen Neue". Führungspersonen tragen die Verantwortlichkeit den Rahmen, die Umwelt zu gestalten.
"A leader is like a Farmer, who doesn‘t grow crops by pulling them but imstead creates the perfect environment for the crops to grow and thrive"
Literatur
Peter M. Senge, Art Kleiner, Bryan Smith, Chalotte Roberts u. Richard Ross (1992): Das Fieldbook zur Fünften Disziplin, Stuttgart 1992. 2. Auflage.
Gerhard Roth (2003): Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2003.
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